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Nazz - "Soul"

Töchterchen Noelle wartet schon darauf, dass es endlich ins Schwimmbad geht. Aber Nazz muss vorher noch Allesreal.de Rede und Antwort stehen. Schließlich hat die Siegenerin gerade ihr Album "Soul" rausgebracht. Der Longplayer bietet auf 21 Songs vor allem Persönlichkeit und Persönliches. Ohne dabei aber zu direkt, zu intim zu sein. Ohne den Hörer in die tiefsten Tiefen der Fremdscham zu stürzen. Die eine Hälfte des Rap-Duos Nazz'n'Tide sagt dazu: "'Soul' heißt 'Soul', weil es straight aus meiner Seele ist, wie immer. Ich packe 21 Songs auf die CD, ausgewählt aus einem Haufen von Liedern, die ich in den vergangenen drei bis vier Jahren ausgekotzt habe. Da ich ein launischer Mensch bin, ist dies auch eine abwechslungsreiche Scheibe geworden. Ich bin sehr zufrieden." Als Features sind unter anderem Donato, Sinuhe, B.E., Soundbwoy Boogie sowie ihr Partner in Rhyme Tide mit von der Partie. Für einen Großteil der Produktionen zeichneten sich Ill-Luzion, Truestatiks sowie Lionbeat verantwortlich. Genug Stoff also für ein Interview, das das No-go-Thema Rap und Frauen mehr als nur gekonnt umschifft. Und so redet Nazz über Ehrlichkeit und Fassaden, Selbszensur, Nina Hagen, musikalische Visionen, ihre orangefarbenen Air Force 1s und darüber, warum sie an der Uni bei Referaten immer so mit den Händen herumfuchtelt... Aber lest selbst. Und hört dabei am besten den exklusiven Download "Bevor", den die 29-Jährige Allesreal.de zur Verfügung gestellt hat. Auf www.nervousnazz.de gibt es das Album-Snippet und alle weiteren Infos über die spittende Mama aus Nordrhein-Westfalen.


Tracklist und Exclushit


01. Soul
02. N.A.Z.Z. feat. Sinuhe
03. Wenn ich seh
04. Irgendwie absurd
05. Nix is'
06. Ruhe vor dem Sturm feat. Lou
07. Feuer & Eis feat. Donato
08. Zu laut
09. Wann ist endlich eieder Sommer
10. Monologe
11. Renn!
12. Sweet day
13. Ich nin feat. DJ Crates
14. Bis zum Ende feat. Daez und Tide
15. Punschleim feat. B.E.
16. Ich fühl
17. Die Anderen
18. Ich mach die Augen Zu
19. Und dann seh ich dich feat. Soundbwoy Boogie
20. Fick drauf feat. Tide
21. Weil wir leben

Exclushit:
>> "Bevor" <<


Interview

 



Im Intro beschreibst Du, was für Soul steht - Träumerei, ein Kind unterm Herzen zu tragen, barfuß im Regen zu laufen. Alles geschenkt, aber was bitte ist Soul an Katzenklo?

Damit meine ich Helge Schneider. Der ist King. Der Song und Helge an sich sind auf jeden Fall Soul.

Ich habe mir mal Deine Pressefotos angeschaut. Auf den meisten schaust Du sehr ernst, oft auch fast schon grimmig. Warum?

Grimmig? Finde ich überhaut nicht. Das war nicht geplant, dass ich ernst schaue. Es gibt auch einige, auf denen ich grinse, da sehe ich aber selten dämlich aus. Wir hatten 100 Fotos bearbeitet, und da habe ich die besten ausgesucht. Die waren von der Qualität her am besten und professionellsten. Sie sollten auch nichts darüber aussagen, wie ich so drauf bin.

Also wolltest Du nicht auf Biegen und Brechen ernsthaft rüberkommen?

Nein, überhaupt nicht.

Du bist schon ein sehr emotionaler Mensch, oder?

Ja, auf jeden Fall.

In "Zu laut" rappst Du: "Nazz schreibt auf und schreit laut und kämpft gegen Fassaden, Natasha trägt ne Maske, damit die Menschen sie ertragen." Heißt das, dass die Rapperin Nazz und der Mensch Natasha nicht identisch sind?

Damit will ich eigentlich sagen, dass man alle Dinge, die ich kritisiere, auch an mir kritisieren kann. Wenn ich jetzt sage, die Welt ist schlecht, dann beziehe ich mich da ein und sage nicht: Ihr müsst das jetzt anders machen. Ich prangere ja beispielsweise Versagen und die Fakeness in der Welt an, sage aber auch, dass ich nicht besser bin. Das versuche ich immer einzubringen, damit es nicht so rüberkommt, als sei ich so toll und alle anderen scheiße. Im Prinzip rege ich mich am meisten über mich selbst auf, und das versuche, ich in den Liedern rüberzubringen. Mit den Fassaden meine ich, dass ich nicht wirklich ich selbst sein kann in dieser Gesellschaft, mit meinen ganzen Emotionen, und mich daher schon ein bisschen verstellen muss. Das fuckt mich natürlich ab. Meistens ist mir das egal, aber an Tagen, an denen ich depri bin, kommen eben solche Lieder heraus. Natasha und Nazz kann man natürlich nicht scharf trennen, das wäre Quatsch, aber ich neige manchmal dazu, weil ich ein sehr theatralischer Mensch bin.

Fällt es Dir als Nazz einfacher, ehrlich zu sein?

Nein, eigentlich nicht. Die Leute kennen mich ja, und wenn sie meine Texte hören, dann wissen sie ja, von wem sie kommen. Wenn ich eine komplett anonyme Person wäre, die anonym CDs rausbringt, dann würde ich wahrscheinlich noch ganz andere Texte schreiben. Und Lieder veröffentlichen, die ich nicht rausbringe. Die ich zwar schreibe, aber nicht auf eine CD packe, weil sie zu intim sind.

Wie funktioniert diese Selbstzensur? Stellt die sich schon beim Schreiben ein oder erst hinterher?

Meistens schon beim Schreiben. Es sind aber nicht so viele Lieder, vielleicht vier oder fünf, weil ich ja will, dass die Leute meine Sachen hören, dass ein Album rauskommt. Strophen gibt es dagegen einige, aber ganze Tracks eben weniger. Es geht dabei aber nicht nur um intime Sachen, von denen ich nicht will, dass sie vielleicht jeder Kommilitone an der Uni hört. Ich habe letztens eine Strophe geschrieben, die war total pervers, die war so dirty, die kann ich einfach nicht rausbringen, weil sich dann jeder fragen würde, was denn mit mir abgeht... Da rappe ich total überzogene, lustige Vergleiche auf einen Westcoast-Beat. Das würde nicht zu mir und zu "Soul" passen.

Und die Zettel verstaust Du dann irgendwo in der Schublade?

Nein, ich nehme die Sachen meistens sogar auf, höre sie mir an und freue mich darüber. Die liegen alle auf meinem Rechner. Nach meinem Tod kommen dann meine Hidden Tracks raus, das wird wahrscheinlich mein bestes Album... (lacht)

Was spielt eine größere Rolle? Schamgefühl oder Schutz vor Voyeurismus?

Mit Schamgefühl hat das nichts zu tun. Aber manche Sachen gehen einfach nicht jeden was an.

Was macht Dich denn wie Nina Hagen, wie Du es in "Ich bin" sagst?

(lacht) Das ist natürlich übertrieben, ne. Was sage ich eigentlich noch mal genau?

Warte mal, ich blättere schnell im Booklet...

Ich kann mir meine Texte immer so schlecht merken. Das ist schlimm.

Was machst Du denn, wenn Du auftrittst? Hast Du Spickzettel?

Ich muss definitiv noch üben. Ein paar Tracks habe ich live noch nicht gespielt. So wie "Ich bin".

Also: "Ich bin extrovertiert und habe einen Riesenschaden, ja man könnte fast sagen, ich bin wie Nina Hagen."

Ah, okay. Ich bin halt auch ein extrovertierter Hampelmann, zwar nicht immer und jeden Tag, aber habe schon etwas von einem Clown. Bei "extrovertiert" und "Riesenschaden" musste ich einfach an Nina Hagen denken, das ist eben ein Vergleich, genau wie sie bin ich natürlich nicht.

Das ist auch gut so.

Auf jeden Fall, ey. (lacht) Die ist schon kaputt. Sie hat definitiv mehr einen an der Klatsche als ich. Wobei es cool ist, dass sie das macht, worauf sie Bock hat. So nach dem Motto: Scheiß auf alle. Und darauf, was die Leute denken. Da bin ich noch weit entfernt von, aber ich versuche, dahin zu kommen.

Zu direkt, zu laut - bezieht sich das auch darauf, dass Du relativ deutlich Deine Meinung sagst?

Ja, auf jeden Fall. Das mache ich schon. Ich bin ein ehrlicher, direkter Mensch. Manchmal ärgere ich mich darüber, beispielsweise an der Uni, weil ich immer alles kommentieren muss. Ich bin kein Mensch, der großen Respekt vor Autoritätspersonen hat, es sei denn, ich bin wirklich davon überzeugt, dass derjenige mehr drauf hat als ich. Aber nur, weil jemand mein Dozent ist, habe ich noch keinen großen Respekt. Ich bin da zwar schon besser geworden, aber manchmal denke ich mir: Hättest du doch einfach die Klappe gehalten. Ich bin schon ruhiger geworden, aber immer noch sehr direkt. Und mit dieser direkten Art kommen viele nicht klar.

Das kommt auch in Deiner Musik rüber...

Das ist gut.

Aus "Monologe" kann man heraushören, dass Du manchmal Angst vor Deinen eigenen Zielen hast. Wie äußert sich diese Angst? Hast Du Angst, dass Du die Ziele, die Du Dir steckst, nicht erreichst?

So schlimm ist es nicht mehr. Die Ziele sind ja auch gesunken. Man denkt ja, dass man mit der Musik, die man macht und die sehr professionell klingt, schon das ein oder andere erreichen könnte. Aber das ist ja utopisch. Erstens wegen der Art der Musik, die ich mache, und zweitens wegen der allgemeinen Situation der Musikindustrie. Ich trenne da Träume und Erwartungen. Klar gibt es Tage, da wäre ich gerne auf dem Juice-Cover, das sind halt diese normalen Rapper-Träumchen. Aber ich habe keine hohen Erwartungen mehr, daher werde ich auch nicht mehr enttäuscht und habe keine Angst mehr vor meinen Zielen. Die Ziele, die ich mir zu "Soul" gesteckt habe, habe ich auch erreicht, weil sie realistisch waren. "Monologe" ist schon uralt.

Welche Ziele hast Du Dir bei "Soul" gesteckt?`

Das größte Ziel war, dass es fett wird. Dass ich ein Album in der Hand halte, über das ich sagen kann, dass es extrem geil ist, mit dem ich zu 99 Prozent zufrieden bin. Das kann ich mit gutem Gewissen jedem in die Hand drücken. Wenn es jemandem nicht gefällt, dann kann ich da locker drüber weggesehen, dann hat er halt einen anderen Geschmack. Aber an mir liegt es nicht. Ich habe ein cooles Artwork, einen coolen Sound, ein Booklet mit allen Texten... Ich bin auch in der Juice und der Backspin, das ist ganz nett, aber viel wichtiger ist es, dass meine Mucke mir persönlich gut gefällt.

"Bis ich mich für heute kapier" - werden Dir durchs Schreiben Dinge klarer, bewusster? Gibt's Dinge, auf die Du nicht gekommen wärst, wenn Du nicht geschrieben hättest?

Ja, irgendwie schon. Das ist allgemein beim Schreiben so. Ich schreibe zwar kein Tagebuch, aber Essays und Gedichte. Ich bin halt auch ein Chaot, ich rede manchmal viel Scheiße, weil ich nicht darüber nachdenke, das geht so blubb, blubb, blubb... Beim Schreiben bin ich geordneter, ich habe das Gefühl, da gibt es eine Instanz dazwischen, die filtert. Und die habe ich beim Reden nicht...

Das finde ich jetzt interessant, dass Du sagst, Du bist beim Schreiben geordneter. In anderen Interviews hast Du gesagt, dass Du Dir nie einen Kopf machst, wenn Du anfängst zu schreiben, dass Du Dir vorher nie ein Konzept zurecht legst. Wie passt das zusammen?

Das ist schwierig zu erklären. Die Emotionen werden kanalisiert. Schreiben geht auch langsamer als reden. Daran liegt es. Und beim Schreiben denkt man ja schon nach. Wobei: Heute Nacht hatte ich eine Super-Idee für ein Konzept-Album... (lacht) Da will ich aber noch nichts verraten... Da habe ich mir gedacht: Wow, jetzt habe ich in allen Interviews rumgetönt, dass ich mir keine Konzepte zurechtlege, und dann so eine tolle Idee. Meistens ist es einfach so: Ich höre einen Beat, der hat eine bestimmte Stimmung, und diese Stimmung will ich dann mit meinem Text rüberbringen. Das gilt auch für Stücke wie "Absurd", da hatte ich die erste Zeile geschrieben und dann gemerkt, wie ich weitermache.

Für das Album hast Du versucht, Dinge metaphorisch zu umschreiben, damit nicht jeder gleich Dein Problem erkennt. Das birgt natürlich auch die Gefahr, dass sich mancher fragt: Was will Nazz mit jetzt damit sagen, oder?

Ich hoffe eigentlich, dass das nicht so ist. Weil ich das selbst nicht leiden kann, wenn jemand zu poetisch rappt und man keine Ahnung hat, wo jetzt das Problem liegt. Ich finde, dass meine Tracks die Stimmung sehr gut transportieren. Klar, für mich ist es jetzt schwierig, das distanziert zu betrachten, denn ich kenne ja den Inhalt meiner Lieder. Wenn ich schreibe, will ich eigentlich ein Gefühl vermitteln und kein Problem. So kann sich der Hörer viel besser damit identifizieren.

Für Dich ist Rap ja ein Ventil. In "Zu laut" kann man heraushören, dass Du wohl auch schon mal keinen Bock mehr auf Rap hattest, sagst aber "Ich liebe, hasse, beiße ihn". An welchem Punkt hattest Du denn keine Lust mehr auf Rap?

Ich wollte bestimmt schon zweihundert Millionen Mal aufhören... (lacht)

Gut, so was kennt ja jeder, denke ich. Aber gab es auch wirklich mal einen konkreten Punkt?

Den gab es während der Produktion des Albums. Ich habe keinen Rap mehr gemacht, ich habe keinen Rap mehr gehört, das hat mich alles nicht mehr gejuckt, ich hatte so die Schnauze voll. Mein Album lag schon zwei Jahre rum, es war trotzdem kein Ende in Sicht. Ich habe bestimmt drei, vier Monate überhaupt nichts gemacht, außer ein bisschen Electro gehört und ein paar House-Beats gebaut. Ich bin feiern gegangen und habe auch mit keinem darüber geredet. Aber so eine Pause tut manchmal ganz gut, glaube ich, wenn man überlastet ist und zu viel gemacht hat.

Und dann war der Hunger wieder da?

Ja. Ich lege zwar immer wieder mal eine Pause ein, da gehe ich eine Woche lang nicht ins Studio, dann gehe ich aber wieder runter und schreibe einen Track.

Du sagst über Rap: "Einzig durch ihn bin ich eine Queen." Inwiefern definierst Du Dich durch Rap, inwiefern definiert er Dich?

Den Dicken machen kann ich nur durch Rap. Wenn ich nicht rappen würde, dann wäre ich halt Mama, Hausfrau und Studentin, würde alles relativ durchschnittlich machen. Und durch Rap kann ich schon sagen, dass ich die Queen hier bin. Dazu kommt der Respekt. So bin ich schon was Besonderes, und dafür bin ich auch dankbar. Ich glaube, ich brauche das auch ein bisschen für mein Ego.

Also kämst Du Dir schon weniger bedeutend vor, wenn Du die Musik nicht hättest, von der Du sagst, dass sie Dich aus der Masse heraushebt?

Ich glaube schon. Es ist zwar immer schwer, Was-wäre-wenn-Fragen zu beantworten, aber ich kann mich durch die Musik schon selbst verwirklichen. Ich bin eigentlich ein ziemlich glücklicher Mensch dadurch - glaube ich...

Hat die Musik Deine Persönlichkeit verändert beziehungsweise beeinflusst? Wärst Du jemand anderes ohne Musik?

Das kann ich Dir nicht beantworten. Ich weiß nicht, ob ich dann nicht diese wunderschönen orangefarbenen Air Force 1s tragen würde, dich gerade an habe... (lacht) Klar, durch Rap übernimmt man auch einiges, allein die Gestik beim Reden beispielsweise. Deshalb wird an der Uni auch immer gegrinst, wenn ich ein Referat halte.

Machst Du da auch diese typischen Rap-Bewegungen mit den Armen?

Klar, diese Bewegungen, die man einfach drin hat. Wenn ich etwas erkläre, fuchtele ich schon etwas mehr mit den Armen herum als andere. Das sind natürlich Kleinigkeiten. Das kann man sicher noch auf bedeutendere Sachen beziehen. Aber ich weiß einfach nicht, ob ich ohne Rap großartig anders wäre.

Ein, zwei Battle-Songs beziehungsweise Szenekritisches sind ja auch drauf auf dem Album. Weils dazugehört, wegen der Stilisierung oder um auch noch ein bisschen die Sau rauszulassen?

Äääääh.... jaaaa... hmmm... genau deswegen... (lacht) Die Songs habe ich gemacht, weil die Beats cool waren. Dann kamen sie aufs Album, da habe ich mir keine Gedanken gemacht. Am Anfang waren es noch mehr Lieder, die in diese Richtung gingen, aber im vergangenen halben Jahr habe ich mehr deepe Songs gemacht, weil meine Stimmung eher tief statt hoch war. Die haben mir persönlich besser gefallen, deshalb mussten einige Lieder wieder runter vom Album. Immer, wenn ich einen neuen Song gemacht hatte, musste einer dafür runterfliegen. Deshalb klingt das Album jetzt auch ganz anders als noch vor einem Jahr, aber ich bin froh, dass ich ein melancholisches Album gemacht habe, weil ich so was im Moment auch am liebsten höre.

Du hast für das Album 50 Songs geschrieben und davon schließlich 21 ausgewählt. War das nicht eine ziemliche Sisyphus-Arbeit?

Das dachte ich auch immer, wenn ich das bei anderen Rappern gelesen habe. Es war aber nicht so. Am Anfang kamen alle Songs, die ich gemacht hatte, aufs Album - außer vielleicht ein oder zwei, die wirklich scheiße waren. Irgendwann war das Album voll. Und dann habe ich bei jedem Song individuell entschieden, ob er drauf kommt und welchen Song ich dafür runterschmeiße. Ich hatte keine komplette Liste, mit der ich dann entschieden habe, welche Lieder draufkommen. Und bei den 50 Songs sind auch welche dabei, die ich nur zur Hälfte fertiggemacht hatte, wo nur der Beat stand oder die ich dann nicht aufgenommen habe. Aus dem Rest werde ich auch kein Album oder Mixtape mehr machen, die sind weg, weil ich kein Problem damit habe, Songs wegzuwerfen.

Und da war nichts dabei, über das Du sagen könntest: Wenn ich da noch ein wenig Energie reinstecke, kann ich die Skizzen noch auf ein super Level heben?

Die kommen jetzt noch als Exclusives raus.

Du hast eben ja schon angesprochen, dass sich die Arbeit am Album etwas hingezogen hat und dass sich der Vibe dabei auch verändert hat. Ich habe außerdem gelesen, dass Du denkst, im vergangenen Jahr noch mal einen musikalischen Sprung nach vorne gemacht zu haben und dass Du letzten Endes doch froh bist, das es so lange gedauert hat. Kannst Du genauer sagen, an welchen Punkten Du den musikalischen Sprung festmachst?

Die Songs klingen einfach fetter als früher. Es gab immer verschiedene Stadien bei mir. Ich könnte Dir Sachen vorspielen von 2000 oder so, da hatte ich noch voll die Piepsstimme. Da lachst Du Dich kaputt... Also habe ich an der Stimme gearbeitet. Style und Technik haben sich auch ständig verändert, wobei ich sagen muss, dass ich technisch jetzt auf einem Level bin, auf dem ich nicht mehr viel machen kann. Nimm mal Songs wie "Monologe", da rappe ich sehr schnell, und trotzdem reimen sich teilweise die kompletten Zeilen. Ich kann mich eigentlich nur noch musikalisch weiter entwickeln, der Rap ist relativ abgeschlossen. Da habe ich ja auch jahrelang geübt. Dass ich Hooks singe, wie auf "Weil wir leben", das mache ich erst seit einem Jahr. Mein nächstes Album wird sicher auch ganz anders klingen als "Soul", weil sich in der letzten Phase der Produktion erst so richtig rauskristallisiert hat, wo ich hingehe. Es ist ja oft so, dass aus Rappern Musiker werden, die sich dann auf einem ganz anderen musikalischen Level darstellen.

Also dass man dazu übergeht, einen Song als Ganzes zu betrachten und nicht nur auf Doppelreime oder Doubletime wert legt? So wie Curse irgendwann mal gesagt hat, dass er einen Beat nicht mehr zerstören will?

Ja, genau. Da komme ich immer mehr hin. Es hört nicht auf, man entwickelt sich immer weiter, man ist nie perfekt, und das finde ich verdammt cool.

Hast Du auch in Sachen Beats noch bestimmte Vorstellungen? Willst Du da auch noch was ausprobieren?

Ja, ich habe da noch Visionen. Ich hätte noch Bock auf eine Live-Band. Aber keine, die nur meine Beats nachspielt, sondern auf eine richtige Band, mit der ich zusammen im Studio arbeite. Aber dafür muss ich mehr Zeit haben. Und richtig gute Musiker. Ich will dem Gitarristen nicht sagen, wie er spielen soll, so wie ein Produzent, sondern jeder muss so gut an seinem Instrument sein, dass es hinterher fett klingt. Und ich wäre nur eins der Instrumente mit meiner Stimme. Das wäre ein Traum von mir - richtig Musik zu machen. Außerdem höre ich gerne Electro und habe, wie eben schon gesagt, auch schon ein paar Electro-Beats gebaut, und ich könnte mir auch vorstellen, auf Electro-Beats zu rappen, die etwas abgespaceter sind. Also kein House oder so ein Quatsch. Da kannst du auch ganz anders drauf flowen. Es gibt 1000 Sachen. Immer nur straight HipHop-Beats, das ist auf Dauer doch langweilig. Ich mag halt die Abwechslung.

Du studierst, bist verheiratet, hast eine Tochter - musst Du Dir da bewusst die Zeit nehmen, für die Musik?

Abends habe ich meistens Zeit, wenn die Kleine im Bett liegt. Wenn an der Uni Stress ist, während der Klausurzeit, da geht gar nichts. Die besten Songs entstehen aber eigentlich dann, wenn ich überhaupt keine Zeit für Musik habe. Dann ist der Drang so groß, dass ich auf alles scheiße, und trotzdem schreibe. In letzter Zeit bin ich sehr eingebunden, da ist es schon so, dass ich sage: Heute Abend habe ich keine Zeit - da will ich im Studio sein. Und dann setze ich mich hin, mache es mir extra gemütlich, zünde ein paar Kerzen an und bleibe meistens bis tief in die Nacht hier drin sitzen. Ich habe noch genug Zeit für Musik, Gott sei dank.

Du wirst ja nächstes Jahr 30. Schon mal Gedanken darüber gemacht, wie es mit dem Musikmachen weitergehen soll? Die Verpflichtungen, die das Leben so mit sich bringt, werden ja nicht weniger...

Wer weiß, vielleicht spitte ich mit 40 noch. Das ist total schwer zu sagen. Ich werde immer Musik machen, und ich glaube nicht, dass meine Texte mit dem Alter schlechter werden. Im Gegenteil: Sie werden immer besser, immer reifer, ich kann viel mehr erzählen. Ich glaube definitiv nicht, dass ich aufhören werde, Musik zu machen. Es geht immer weiter.

Interview: Christian

 
   
 

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